Funktionelle Dyspepsie / Reizmagen – ein häufiges und komplexes Krankheitsbild
Die funktionelle Dyspepsie (FD), im klinischen Alltag auch als Reizmagen bezeichnet, zählt zu den häufigsten funktionellen gastrointestinalen Erkrankungen. Bei etwa 10 % der Bevölkerung wird ein Reizmagen diagnostiziert, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die Symptomatik ist oft unspezifisch und reicht von postprandialem Völlegefühl und früher Sättigung bis zu epigastrischen Schmerzen und Brennen. Eine klare organische Ursache lässt sich bei den Betroffenen in der Regel nicht nachweisen.
Die Pathophysiologie der FD ist multifaktoriell: Neben gastroduodenalen Motilitätsstörungen und viszeraler Hypersensitivität spielen auch Veränderungen der intestinalen Barriere, immunologische Faktoren, das enterische Nervensystem sowie psychosoziale Komponenten eine Rolle. Da die Wirksamkeit vieler Medikamente in Studien nur unzureichend belegt war, galt die medikamentöse Behandlung der funktionellen Dyspepsie bislang als schwierig.
S1-Leitlinie 2025 empfiehlt erstmals Phytotherapeutika als First-Line-Therapie
Mit der neuen S1-Leitlinie zur funktionellen Dyspepsie hat sich die therapeutische Empfehlung maßgeblich verändert: Erstmalig wurden evidenzbasierte pflanzliche Arzneimittel in die medikamentöse First-Line-Therapie aufgenommen. Die neue Leitlinie folgt den international etablierten Rome-IV-Kriterien und differenziert zwischen zwei Subtypen der funktionellen Dyspepsie: dem postprandialen Distress-Syndrom (PDS), das typischerweise nach dem Essen auftritt, und dem epigastrischen Schmerzsyndrom (EPS), bei dem Oberbauchbeschwerden unabhängig von Mahlzeiten bestehen. Konkret empfohlen werden die Kombinationspräparate STW 5 (Iberogast Classic) und STW 5-II (Iberogast Advance) sowie eine Kombination aus Pfefferminz- und Kümmelöl.
Prof. Dr. med. Martin Storr, einer der Leitlinienautoren, begründet die Empfehlung mit der Komplexität des Krankheitsbildes: „Möglicherweise sind Wirkstoffe, die nur an einer Ursache ansetzen, beim Reizmagen weniger gut geeignet.“ Die Phytotherapeutika wirken multimodal und greifen an mehreren pathophysiologischen Mechanismen gleichzeitig an – darunter Motilitätsstörungen, viszerale Hypersensitivität und Dysbiose.
Klinische Wirksamkeit von STW 5 und STW 5-II belegt
Die Empfehlung der Präparate basiert auf einer soliden klinischen Datenlage. Für STW 5-II konnte in einer placebokontrollierten, multizentrischen Studie eine signifikant höhere Responderrate hinsichtlich der Symptomreduktion im Vergleich zu Placebo nachgewiesen werden. Eine weitere Untersuchung zeigte eine deutliche Abnahme des gastrointestinalen Symptomscores unter STW 5-II.
STW 5 und STW 5-II enthalten jeweils definierte Kombinationen pflanzlicher Extrakte. STW 5-II umfasst die sechs bewährten Bestandteile, Iberis Amara, Kamille, Kümmel, Melisse, Pfefferminze, Süßholz, die synergistisch an mehreren Pathomechanismen der funktionellen Dyspepsie angreifen. In STW 5 sind darüber hinaus noch Schöllkraut, Mariendistel und Angelikawurzel enthalten.
Nicht-medikamentöse Optionen bleiben Bestandteil des multimodalen Therapiekonzepts
Obwohl die neuen Empfehlungen pflanzlicher Präparate eine zentrale Neuerung darstellen, bleiben nicht-medikamentöse Verfahren essenzieller Bestandteil des Therapieansatzes. Dazu gehören u. a. Psychoedukation, psychotherapeutische Verfahren und Mind-Body-Therapien wie Hypnose oder achtsamkeitsbasierte Maßnahmen.
Ernährungsmodifikationen und körperliche Aktivität werden ebenfalls empfohlen, auch wenn für viele Lebensstilmaßnahmen bislang keine randomisierten Studien vorliegen. Dennoch gelten sie aufgrund der niedrigen Kosten und geringen Nebenwirkungen als praktikabler Erstansatz, insbesondere bei leicht bis moderat ausgeprägter Symptomatik.
Fazit: Neue Leitlinie stärkt Stellenwert phytotherapeutischer Kombinationspräparate
Die Aufnahme von STW 5 und STW 5-II als evidenzbasierte First-Line-Therapie in die S1-Leitlinie markiert einen Paradigmenwechsel in der Behandlung der funktionellen Dyspepsie. Die Empfehlungen reflektieren die zunehmende Akzeptanz phytotherapeutischer Optionen im klinischen Alltag – gestützt durch klinische Daten und eine pathophysiologisch begründbare Wirkweise.
Für die Praxis bedeutet dies eine fundierte Erweiterung des therapeutischen Repertoires mit gut verträglichen und wirksamen Optionen, vorwiegend bei Patienten, für die eine pharmakologische Monotherapie mit Protonenpumpeninhibitoren oder Prokinetika nicht zielführend ist.
Zukünftige Studien sollten klären, welche Patientengruppen besonders von phytotherapeutischen Präparaten profitieren und inwieweit Kombinationstherapien mit nicht-medikamentösen Maßnahmen die Effektivität weiter steigern können. Die vorliegende Leitlinie stellt damit einen wichtigen Schritt in Richtung individualisierter Therapieansätze bei funktioneller Dyspepsie dar.
Autor: Steffen Manz, 5.9. 2025, Gelbe Liste Pharmaindex
Reizmagen ist ein häufiges Beschwerdebild und belastet den Patienten erheblich.
Umso wichtiger ist neben der Behandlung die Diagnose, zu der Blutabnahmen, Bildgebung des Oberbauchs und besonders die Gastroskopie (Magenspiegelung) gehört, um mögliche organische Erkrankungen des Magens auszuschließen.
Dr. Martin Scharf