Gastroskopie Wien E

Neue Leitlinien zu gastroösophagealem Reflux und Ösophagitis

Erstmals Goldstandard für die Diagnose der GERD: Neue Leitlinien zu gastroösophagealem Reflux und Ösophagitis  (Medscape, DGIM 2022, Ute Eppinger)

Wiesbaden – Typische Refluxbeschwerden wie Sodbrennen, saures Aufstoßen und Regurgitation weisen noch keine gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) nach, betonte Prof. Dr. Joachim Labenz, Diakonie Klinikum, Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen, auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) [1]. GERD ist eine durch pathologischen Reflux von Mageninhalt ausgelöste entzündliche Erkrankung der Speiseröhre.

„Refluxbeschwerden sind nicht spezifisch, weil sie viszerale Symptome sind“, erklärte Labenz. Die Sensitivität für Sodbrennen und Regurgitation liegt zwischen 30 und 70%, die Spezifität liegt zwischen 62 und 96%.

Labenz stellte gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Miehlke vom Facharztzentrum Eppendorf die wichtigsten Aspekte aus den neuen Leitlinien zur Refluxkrankheit und zur eosinophilen Ösophagitis vor. Die neue Leitlinie unterscheidet klar zwischen Refluxbeschwerden und Refluxkrankheit.

Erstmals Goldstandard für die Diagnose der GERD

Bislang gab es keinen Goldstandard für die Diagnose der GERD. In der neuen Leitlinie setzt sich dieser aus 3 Methoden zusammen:

Gastroskopie mit Biopsien entlang der Speiseröhre,                                                                                       direkte Refluxmessung mittels Impedanz-pH-Metrie,                                                                                      hochauflösende (HR-)Manometrie.

Liegen Refluxsymptome ohne Alarmzeichen vor, sollte der Patient mit einem Protonenpumpeninhibitor (PPI) 2-mal täglich über 8 Wochen behandelt werden. Wird damit keine Symptomkontrolle erreicht, ist eine weitere Diagnostik erforderlich.

Sowohl Patienten mit Refluxbeschwerden als auch Patienten mit gesicherter GERD sollten über den Stellenwert von Allgemeinmaßnahmen beraten werden. Dazu gehören:

Zwerchfelltraining,                                                                                                                                                Schlafposition (Oberkörper erhöht, Linksseitenlage),                                                                                  Gewichtsreduktion bei Übergewicht und                                                                                                      Lifestyle-Modifikation (Ernährung, Getränke, Rauchen, Alkohol, körperliche Bewegung).

Für alle Allgemeinmaßnahmen liege eine gute Evidenz vor, berichtete Labenz. Er wies auf Studien hin, die zeigten, dass eine trainierte Bauchatmung die Zwerchfellschenkel stärke: „Die sind Teil der Refluxbarriere. Das ist eine wirkungsvolle Methode, mit der man manchmal auf PPI verzichten oder zumindest die Dosis reduzieren kann.“

Bei typischen Refluxbeschwerden ohne Alarmsymptome können – neben PPI – probatorisch auch andere Antirefluxpräparate (z.B. H2-Rezeptoragonisten, Alginate, Antazida) eingesetzt werden. Es gibt Belege, dass Alginat bei Refluxbeschwerden ohne Alarmsymptome zu einer adäquaten Symptombefreiung führt; die Symptomkontrolle ist ungefähr gleich wirksam wie unter Omeprazol.

Bei gesicherter oder wahrscheinlicher GERD soll eine PPI-Therapie für mindestens 4 bis 8 Wochen durchgeführt werden.

Herausforderung therapierefraktäre GERD

Bei therapierefraktärer GERD, definiert als unzureichendes Ansprechen einer mindestens 8-wöchigen Therapie mit der doppelten Dosis eines PPI (1-0-1), soll eine weiterführende Abklärung erfolgen.

Labenz betont, dass Lifestyle-Maßnahmen „immer richtig sind und in der Situation auch helfen: spätes Essen vor dem Ins-Bett-Gehen vermeiden, erhöht schlafen, auf der linken Seite schlafen“.

Hinzu kommt die Therapie-Optimierung (vor der Mahlzeit, 2x pro Tag, potenter PPI, P-CAPB [potassium competitive acid blocker]). Eine Studie aus 2018 hat die relative Wirksamkeit von PPI untersucht und kommt zu dem Schluss, dass PPI je nach Wirksamkeit austauschbar sind. Und dass die Wirksamkeit von 2-mal täglich verabreichten PPI effektiver ist als die einmal täglich verabreichte PPI-Dosis.

„Allein durch den Wechsel auf ein anderes PPI können Sie eine Wirkung erzielen“, sagte Labenz. Als wirksamste Option nannte er 2×40 mg Esomeprazol. Ist die PPI-Therapie optimiert, kommen Add-ons infrage. Als sinnvolle Kombinationspartner für PPI nannte Labenz:

  • Alginat (Acid Pocket + Schleimhautschutz)
  • Baclofen (Tonisierung unterer Ösophagussphinkter – Reduzierung Refluxepisoden)
  • Mukosaprotektion (Chondroitinsulfat – Hyaluronsäure)
  • Neuromodulation (trizyklische Antidepressiva, selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren/SSRI, Serotonin-Norepinephrin-Wiederaufnahme-Inhibitoren/SNRI)

 

Als „theoretische Optionen“ stünden H2-Blocker zur Nacht, der Gallensäurebinder Sucralfat, Antazida, Heilerde, Feigenextrakt, Pregabalin und Gabapentin zur Verfügung, so Labenz. Allerdings liege dazu keine ausreichende Evidenz vor. Als „nicht sinnvoll“ stufte er Prokinetika ein, allenfalls komme bei verzögerter Magenentleerung ein Versuch infrage.

Sind alle Behandlungsmethoden ausgeschöpft, kommt ein invasives Management infrage. Die Reflux-Operation bekommt einen etwas höheren Stellenwert als in der bisherigen Leitlinie. Die Ergebnisse einer Studie, in der 78 Patienten auf eine laparoskopische Antireflux-Chirurgie oder auf intensivierte medikamentöse Therapie randomisiert wurden, zeigte, dass die Operation mit Abstand die wirksamste Therapie ist.

Die eosinophile Ösophagitis ist keine triviale Erkrankung

Die eosinophile Ösophagitis (EoE) ist ein chronische, immunvermittelte, multifaktorielle Erkrankung der Speiseröhre, die durch Symptome der ösophagealen Dysfunktion und histologisch durch eine eosinophile-prädominante Inflammation gekennzeichnet ist. „Eine eosinophile Ösophagitis muss behandelt werden, nicht so sehr primär wegen der Symptome, sondern wegen der Entzündung. Das ist der Unterschied zur Refluxkrankheit, da ist es primär eine Symptomtherapie“, stellte Miehlke klar.

Miehlke erinnerte daran, dass es sich bei der EoE und GERD um „unterschiedliche Entitäten“ handele, die unabhängig voneinander koexistieren oder sich bi-direktional beeinflussen können.

Langfristig entstehen in der Speiseröhre Motilitätsstörungen, Inflammation und Fibrosebildung. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, auch bei Kleinstkindern.

Bei Erwachsenen ist die Dysphagie das Leitsymptom (90%), gefolgt von der Bolus-Obstruktion. Wobei diese eigentlich kein Symptom, sondern eine Komplikation darstelle.

„Eine Bolus-Obstruktion erfordert eine Notfall-Endoskopie“, so Miehlke. Erwachsene mit EoE leiden auch häufig unter Sodbrennen, es handele sich dabei aber nicht um das führende Symptom.

Die EoE ist eine potenziell progrediente Erkrankung. Unbehandelt geht die EoE in der Regel mit einer chronisch persistierenden Entzündung einher, die zu einem Umbau des Ösophagus mit Strikturen und Funktionsstörungen führen kann.

„Die eosinophile Ösophagitis ist keine triviale Erkrankung, es geht hier nicht um eine Nahrungsmittelallergie, die sich mittels Eliminationsdiät und PPI behandeln lässt, – diese Erkrankung verursacht auch relevante Komplikationen“, betonte Miehlke.

Die häufigsten endoskopischen Befunde der EoE sind weißliche Exsudate, Längsfurchen, Schleimhautödem, fixierte Ringe, ein kleinkalibriger Ösophagus und Strikturen. Diese können allein oder in Kombination auftreten.

Nicht nur Symptome verringern – das Therapieziel ist Remission

Das Ziel der Therapie ist die Remission der EoE. Zur Beurteilung der Aktivität sollen die klinischen Symptome, die Histologie und der endoskopische Befund berücksichtigt werden.

Ziel der Induktions- und der Erhaltungstherapie ist die klinische und histologische Remission. „Es reicht nicht, nur die Symptome zu verringern, auch die Histologie muss verbessert werden, denn die ist der Treiber für die Fibrose, für die Striktur – deshalb ist das ein wichtiges Therapieziel“, betonte Miehlke.

Langfristig geht es um Remissionserhaltung, Reversion/Prävention der Fibrose, die Verhütung von Komplikationen und eine bessere Lebensqualität der Patienten.

Seit 2018 stehen orodispersible Budesonid-Tabletten bei Erwachsenen mit aktiver EoE als Therapie zur Verfügung. In eine Studie von Miehlke und seinen Kollegen aus 2020 wurden 269 Patienten aufgenommen. Die Patienten litten im Schnitt seit 10 Jahren an Dysphagie, 90% wiesen Bolus-Obstruktionen auf.

Die Teilnehmer wurden zunächst in eine doppelblinde, Placebo-kontrollierte Induktionstherapie (EOS-1) eingeführt. Die Patienten, bei denen eine Remission erreicht wurde, setzten die Therapie (EOS-2) über 1 Jahr in 2 verschiedenen Dosierungen fort. Die Patienten, die dann in Remission waren, erhielten für weitere 2 Jahre Budesonid und wurden nachverfolgt. Damit stehen Daten zu über 3 Jahren Therapie zur Verfügung, so Miehlke.

Die Daten zeigen, dass bei der Remissionsinduktion mit Budesonid nach 6 Wochen eine klinisch-histologische Remission von 60% gegenüber Placebo erreicht wurde, nach 12 Wochen eine Remission von 85%. Die histologische Remission allein betrachtet liegt bei 90%: „Eine solche Remissionsrate wurde bislang mit keinem Medikament, mit keiner anderen therapeutischen Intervention erreicht“, betonte Miehlke.

Dupilumab zeigt in Phase-2- und -3-Studie signifikante Verbesserungen

In der neuen Leitlinie sind zur Remissionsinduktion der EoE topische Kortikosteroide (tCS, hier Budesonid) empfohlen, es handelt sich um eine Soll-Empfehlung. Empfohlen werden auch hochdosierte PPI (Kann-Empfehlung) oder die 6-Food-Eliminationsdiät (Kann-Empfehlung). In jedem Fall sollte nach 8 bis 12 Wochen eine Re-Evaluation (klinisch, endoskopisch, histologisch) erfolgen.

Wenn eine klinisch-histologische Remission erreicht ist, sollte diese mit dem in der Induktionstherapie erfolgreichen Behandlungsprinzip (i.d.R. tCS) erhalten werden, nach 1 bis 2 Jahren sollte evaluiert werden. Wird keine klinisch-histologische Remission erreicht und es zeigt sich stattdessen eine symptomatische Striktur/Fibrose ohne histologische Aktivität, sollte eine endoskopische Dilatation plus Remissionserhaltung erfolgen.

Eine besondere Herausforderung liegt vor, wenn keine klinisch-histologische Remission erreicht wird und die histologische Aktivität anhält. In der Leitlinie wird dann ein Therapiewechsel mit ggf. Kombinationen empfohlen, der nach 8 bis 12 Wochen evaluiert werden sollte.

Lässt sich auch damit keine klinisch-histologische Remission erreichen, sollte der Patient einem Zentrum vorgestellt, in eine Studie aufgenommen und ggf. mit Biologika behandelt werden. Wie Miehlke berichtete, werden verschiedene Biologika untersucht. Dupilumab hatte in Phase-2-Studien und in Phase-3-Studien bei Patienten mit eosinophiler Ösophagitis hochsignifikante Verbesserungen und eine gute Verträglichkeit gezeigt. (Medscape, DGIM 2022, Ute Eppinger)

Die Basisdiagnostik der Refluxerkrankung und der eosinophilen Ösophagitis ist die sanfte Gastroskopie (Magenspiegelung) im Dämmerschlaf mit Entnahme von Gewebeproben;
nicht zuletzt um andere Ursachen der Beschwerden auszuschließen. (Dr. Martin Scharf)