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Kolorektalkarzinom (Darmkrebs): US-Studie sieht starken Anstieg bei jungen Erwachsenen

Kolorektalkarzinom (Darmkrebs): US-Studie sieht starken Anstieg bei jungen Erwachsenen – wo liegen die Gründe? Dr. Veronica Hackethal, Medscape, 12.3.2017

Aus einer Studie der American Cancer Society geht hervor, dass die Inzidenz des Kolorektalkarzinoms bei jüngeren Erwachsenen (unter 55 Jahre) stark zugenommen hat. Etwa 30% der Diagnosen Kolorektalkarzinom betreffen inzwischen diese Altersgruppe und haben damit wieder eine Häufigkeit erreicht, wie sie etwa für um 1890 geborene Personen galt, erklärten die Autoren. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Journal of the National Cancer Institute veröffentlicht [1].

„Wer in den 1990er Jahren geboren wurde, hat ein doppelt so hohes Risiko für ein Kolonkarzinom und ein 4-fach höheres Risiko für ein Rektumkarzinom als Personen, die um das Jahr 1950 herum geboren wurden“, sagt die Erstautorin Dr. Rebecca Siegel von der American Cancer Society in Atlanta, Georgia, gegenüber Medscape.

Trendwende Mitte der 80er Jahre

In der Studie nahmen die Untersucher Trends in der Kolorektalkarzinom-Inzidenz zwischen 1974 und 2013 unter die Lupe.

Die Ergebnisse zeigten, dass es in den späten 1970er und in den frühen 1980er Jahren zu einer abnehmenden Inzidenz für Kolorektalkarzinome bei Personen unter 50 und für Personen über 50 zu einem Anstieg kam. Nach Mitte der 1980er Jahre kehrte sich dieser Trend um. Von da an bis 2013 sank zwar die Inzidenz für Kolorektalkarzinome bei Personen über 55, doch stieg sie um jährlich 2,4% bei Personen zwischen 20 und 29 Jahren und um 1,0% bei den 30- bis 39-Jährigen. Ab Mitte der 1990er-Jahre stieg die Inzidenz in der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen um 1,3% und für das Alter zwischen 50 und 54 um 0,5%.

Beim Rektumkarzinom wurde ein längerer und steilerer Zuwachs verzeichnet als für das Kolonkarzinom. Zwischen 1974 und 2013 stieg die Inzidenz pro Jahr in der Altersgruppe zwischen 20 und 29 Jahren um 3,2%. Seit 1980 nahm die Inzidenz im Alter zwischen 30 und 39 ebenfalls um 3,2% zu. Ab den Neunzigern betrug die Steigerungsrate für das Alter von 40 bis 54 Jahre jährlich 2,3%.

Bei Personen ab 55 ist seit Mitte der 1980er Jahre eine allgemein abnehmende Inzidenz der Kolonkarzinome zu verzeichnen. Die Zahlen für das Rektumkarzinom gehen in dieser Altersgruppe seit mindestens 40 Jahren zurück.

Um das Jahr 1990 herum war die Inzidenz der Kolorektalkarzinome (Darmkrebs) in der Altersgruppe zwischen 50 und 54 Jahren etwa halb so hoch wie in der Altersgruppe von 55 bis 59 Jahre. Im Jahr 2012 und 2013 war diese Kluft viel schmaler geworden und die Kolonkarzinomrate lag in der Gruppe der 50- bis 54-Jährigen nur noch 12,4% niedriger. Die Werte für das Rektumkarzinom waren in etwa gleich.

Screening ab 50 gefordert

Siegel folgert aus den Ergebnissen, dass das Screening bei normalem Risiko im Alter von 50 beginnen sollte und bei einer familiären Belastung, d.h. bei einer positiven Familienanamnese für ein Kolorektalkarzinom oder Adenome unter Verwandten ersten Grades, bereits ab 40. Eine Änderung des Lebensstils im Hinblick auf Ernährung und körperliche Bewegung sei zwar wichtig, würde jedoch nur langfristig zu Ergebnissen führen. Da das Screening bislang für Personen unter 50 mit normalem Risiko nicht empfohlen wurde, haben manche Ärzte ein Kolorektalkarzinom in dieser Altersgruppe sozusagen nicht auf dem Schirm.

„Kurzfristig benötigen wir Aufklärungskampagnen, um die Allgemeinheit für mögliche Erstanzeichen eines Kolorektalkarzinoms zu sensibilisieren und über den weiteren Verlauf bei Erhärtung des Verdachts zu informieren. Dadurch kann die Diagnose zu einem früheren Zeitpunkt möglich werden, wenn die Behandlung noch effektiver ist“, so Siegel.

Über den Anstieg der Inzidenz bei diesen Tumoren hat Medscape bereits berichtet. Nach einer Untersuchung sind etwa 15% der Patienten mit einem Kolorektalkarzinom unter 50 Jahre alt. Eine andere gab eine Zahl von 14.000 Fällen pro Jahr bei Personen unter 50 an, was mehr ist als die Fallzahlen für die akute lymphatische Leukämie, das Hodgkin-Lymphom oder sogar das Zervixkarzinom.

Oft verzögerte Diagnose bei Jüngeren

Ein wichtiges Thema im Zusammenhang mit der Zunahme der Kolorektalkarzinome bei relativ jungen Patienten ist die Gefahr von Fernmetastasen: Nach Siegel ist das Risiko für Fernmetastasen bei jüngeren Karzinompatienten um 60% höher als bei älteren.

„Jüngere Menschen beachten die Symptomatik weniger und so kommt es zu einer verzögerten Diagnostik. Und die Hausärzte denken bei jüngeren Menschen seltener an die Möglichkeit einer solchen Diagnose.“ In den USA seien zudem jüngere Patienten häufiger nicht versichert, was mit einer verspäteten Diagnostik in Verbindung steht. „Wenn die Menschen versichert sind, werden sie auch versorgt. Sie kommen auch mit größerer Wahrscheinlichkeit in den Genuss von Präventionsmaßnahmen, was von enormer Bedeutung für die Früherkennung von Karzinomen ist.“

Zusammenhang mit Adipositas und sitzender Lebensweise

Zwar hat die jüngste Studie nicht direkt nach den Ursachen der Risikosteigerung gefahndet, doch Siegel hat dafür eine Hypothese: „Wir halten einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg, den wir jetzt beobachten, und der Adipositasepidemie für wahrscheinlich.“

Doch stellt sich das gesamte Bild etwas komplizierter dar, da sich die Häufigkeit der Kolorektalkarzinome parallel zur Adipositasepidemie entwickelt hat. Wäre nur die Adipositas dafür verantwortlich, würde man eine Zunahme der Karzinome mit einer Verzögerung von etwa 10 oder 20 Jahren erwarten, jedoch nicht gleichzeitig. Am ehesten würden andere Faktoren, die mit Übergewicht verbunden sind, wie etwa sitzende Lebensführung und schlechte Ernährung, unabhängig voneinander das Karzinomrisiko erhöhen, erklärt Siegel.

Die sanfte Koloskopie ist die wirkungsvollste Untersuchung um Darmpolypen oder Darmkrebs frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Frauen ohne Beschwerden oder familiäre Belastung sollten ab 50, Männer schon ab 45 eine Vorsorgekoloskopie durchführen; bei unklaren Bauchbeschwerden, Blut beim Stuhl, Gewichtsabnahme, Änderung der Stuhlgewohnheiten sollte jederzeit eine Darmspiegelung erfolgen.

Dr. Martin Scharf