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Alkohol und Krebs – die unterschätzte Gefahr

Alkohol und Krebs – die unterschätzte Gefahr: Für sieben Tumorlokalisationen gibt es einen direkten Zusammenhang (Stephanie Lavaud, 11.8.2016 Medscape)

Die Ärztin und Epidemiologin Prof. Dr. Jennie Connor von der Abteilung für Sozial- und Präventionsmedizin, Universität Otago, Neuseeland, gibt in der Zeitschrift Addiction – unter der Rubrik „In der Debatte“ – ein eindeutiges Statement ab: „Ja“, bestätigt sie, „wir haben inzwischen genug Beweise, um sagen zu können, dass Alkohol die direkte Ursache für das Auftreten von sieben verschiedenen Krebsarten ist: für das Oropharynx- und Larynxkarzinom, Oesophagus-, Leber-, Kolon- und Rektumkrebs sowie das Mammakarzinom.“ [1]

Sie bemängelt allerdings, dass die Öffentlichkeit darüber unzureichend und verwirrend informiert sei und fordert – vor allem von den Ärzten – eindeutigere Aufklärung. In vielen Publikationen, so kritisiert sie, werde der kausale Zusammenhang heruntergespielt oder es werde mit unklaren Formulierungen und Vergleichen eher noch mehr Verwirrung gestiftet. Es erfolge keine objektive Abwägung von Nutzen und Risiko des Alkoholkonsums – und zum Teil werde dieses schiefe Bild auch von der Alkoholindustrie gestützt.

Wir haben inzwischen genug Beweise, um sagen zu können, dass Alkohol die direkte Ursache für das Auftreten von sieben verschiedenen Krebsarten ist (Prof. Dr. Jennie Connor).

2 aktuelle Studienpublikationen, in denen es darum geht, den mit dem Alkoholkonsum verbundenen Risiken vorzubeugen – eine in Englisch, eine in Französisch – unterstützen die Position von Connor.

Krebs und Alkohol – die Beweise mehren sich

Fast täglich liefern neue Studien Daten, die die epidemiologische Evidenz erhärten. Inzwischen seien die Daten ausreichend, um eindeutig zu bestätigen, dass Alkoholkonsum eine direkte Ursache von 7 Krebslokalisationen darstelle, stellt Connor fest: des Mund- und Rachenraums, des Kehlkopfes, der Speiseröhre, der Leber, des Kolons und Rektums sowie der weiblichen Brust. Dies sei das Fazit von jahrzehntelanger Forschung – und werde auch durch aktuelle Analysen und Metaanalysen bestätigt. Die Assoziation Alkohol-Krebs sei dabei dosisabhängig – linear oder exponentiell – und auch bei geringem und moderatem Alkoholkonsum nachweisbar.

Nach Angaben der Wissenschaftlerin ist es von der Lokalisation abhängig, wie ausgeprägt der Zusammenhang tatsächlich ist: stark für den oberen Gastrointestinaltrakt (relative Risikoerhöhung um das 4 bis 7-Fache bei einem Konsum von 50 g Alkohol pro Tag im Vergleich zu einem Nicht-Trinker), weniger ausgeprägt für das Kolon, das Rektum, die Leber und die weibliche Brust (relatives Risiko ca. 1,5 bei 50 g Alkohol pro Tag oder mehr).

Das mit dem Alkoholkonsum assoziierte Risiko ist im Übrigen reversibel, wenn man mit dem Trinken aufhört. Aus gepoolten Analysen lasse sich auch schließen, dass das Risiko für Oesophaguskarzinome und Karzinome des Kopfes und Halses über die Jahre des Konsums zunehme, danach aber wieder abnehme und nach rund 20 Jahren Abstinenz wieder auf dem Niveau eines Nicht-Trinkers sei. Für die Leber gibt es eine Metaanalyse, die ebenfalls auf eine mögliche Reversibilität hindeutet, nach der das Risiko eines hepatozellulären Karzinoms nach dem Alkohol-Stopp um 6 bis 7% pro Jahr abnimmt und nach etwa 23 Jahren wieder auf dem Niveau des Nichttrinkers ist.

Schon leichter oder moderater Alkoholkonsum reicht aus, um das Risiko zu erhöhen. Eine englische Studie, basierend auf der Kohorte der United Kingdom’s Million Women mit 7 Jahren Follow-up zeigt, dass Frauen, die zwischen 70 und 140 g Alkohol pro Woche trinken (entspricht etwa 7 bis 14 Getränken) ein um etwa 5% erhöhtes Krebsrisiko haben (im Vergleich zu denjenigen, die weniger als 20 g wöchentlich konsumieren) und ein um 13% höheres Risiko für Brustkrebs.

Und schlussendlich geht es nicht nur um diese 7 Krebsarten – auch bei anderen Lokalisationen häufen sich die Hinweise darauf, dass Alkohol ursächlich zur Krebsentstehung beiträgt – etwa beim Pankreas, der Prostata und dem Melanom.

Zusammenhang wird oft heruntergespielt

Jedoch Connor beschränkt sich nicht darauf, den Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs – der auch nicht vollkommen neu ist – aufzuzeigen. Sie kritisiert in ihrem Statement vor allem, „dass diese Assoziation häufig heruntergespielt, als „Link“ verharmlost werde, in den Medien oft von Krebs, „im Zusammenhang mit Alkohol“ die Rede sei oder von „Effekten des Alkohols auf das Krebsrisiko“. All dies schwäche den ursächlichen Zusammenhang ab und werde als „eher ungesichert“ interpretiert. Unter Gesundheitsexperten, Journalisten und in der Öffentlichkeit gebe es vor allem 2 Aspekte, die eine Quelle der Verwirrung darstellten: die Kausalität und die Qualität der Evidenz, erläutert sie.

Zum Beispiel kann die Tatsache, dass man die exakten biologischen Mechanismen nicht kennt, über die Alkohol Krebs verursacht, auch so interpretiert werden, dass dies dem Umstand widerspricht, dass es tatsächlich einen Zusammengang gibt“, sagt sie. „Auch die Tatsache, dass Tumore dieser Lokalisationen auch andere Ursachen haben können, sehen viele als Schwächung der Assoziation mit Alkohol.“

Die Lösung, die … darin bestünde, den Alkoholkonsum einzuschränken, betrachten viele als inakzeptabel (Prof. Dr. Jennie Connor).

Analog werde der Zusammenhang z.B. als weniger eng betrachtet als etwa beim Rauchen und Lungenkrebs. „Die Rolle des Alkohols wird oft viel komplexer gesehen als die des Tabakrauchs.“ Und: „Die Lösung, die – ebenfalls analog zum Rauchen – darin bestünde, den Alkoholkonsum einzuschränken, betrachten viele als inakzeptabel.“

Unter den weiteren Faktoren, die zur Verwirrung beitragen, sei auch der Umstand, dass einige Tumorlokalisationen nur wenig oder gar nicht beeinflusst werden. Das gilt etwa für das Adenokarzinom des Magens, Endometriumkrebs oder das Harnblasenkarzinom. Es stelle sich natürlich die Frage, warum Alkohol Krebserkrankungen in bestimmten Lokalisationen fördere, in anderen jedoch nicht. Auch diese Heterogenität schwäche die Aussage: „Alkohol verursacht Krebs.“

Und nicht zu vergessen: Alkohol als Ursache von Krebs konkurriert mit Berichten, dass Alkohol eine protektive Wirkung bei kardiovaskulären Erkrankungen habe – eine Aussage, die Connor aber eher bezweifelt und auf Störfaktoren der epidemiologischen Studien zurückführt – die Daten dazu seien nicht eindeutig, betont sie.

Die Wissenschaftlerin räumt auch ein, dass die epidemiologischen Beobachtungsstudien, auf denen die Daten zum Zusammenhang von Alkohol und Krebs fußen, natürlich nicht geeignet sind, um tatsächlich eine kausale Assoziation zu beweisen. Es sei schwierig, eine direkte Beziehung zu belegen. Aber sie beklagt eine allgemeine Stimmungslage, „die Forschungsarbeit und die Wissenschaftler auf diesem Sektor zu diskreditieren und die Daten in der Öffentlichkeit zu vernebeln“.

Und sie weist mit dem Finger auf die Alkoholindustrie. Diese setze sich nicht damit auseinander, dass keine Argumente oder Beweise existierten, dass es einen im Hinblick auf das Krebsrisiko unschädlichen Level das Alkoholkonsum gebe.

Verantwortung zu informieren

Die französische Association nationale de prévention en alcoologie et addictologie (ANPAA) hat in einer Veröffentlichung auf Connors Analyse reagiert und wendet sich darin ebenfalls gegen Falschaussagen, wie sie sich z.B. auf der Seite der Alkohol-Lobby Vin & Société finden: „Es gibt einen Konsens über einen Benefit von moderatem Weinkonsum auf das Auftreten von Kolorektal- und Ösophaguskrebs“, heißt es dort. „Solche völlig falsche wissenschaftlich nicht haltbare Behauptungen zielen darauf ab, die Gefahren von Alkohol herunterzuspielen und die wirtschaftlichen Interessen der Industrie auf Kosten der wissenschaftlichen Wahrheit und der Gesundheit der Bevölkerung zu schützen“, unterstreicht die ANPAA.

In einer weiteren Veröffentlichung verweist Colin Shevills von der Alkohol Health Alliance in Großbritannien auf einen interessanten Aspekt in der Publikation der neuseeländischen Ärztin, wonach nur „einem von zehn Befragten der Zusammenhang zwischen Alkohol und Krebs bewusst ist“. Die Menschen hätten das Recht, über die Auswirkungen von Alkohol auf ihre Gesundheit Bescheid zu wissen, und dazu gehöre auch die Assoziation mit Krebs, betont die britische Gesundheitsorganisation. „Nur so können die Menschen auch informierte Entscheidungen treffen, über die Menge an Alkohol, die sie konsumieren“ – und die Regierung habe eine Verantwortung, darüber zu informieren.

Dieser Artikel wurde von Sonja Böhm von http://francais.medscape.com/voirarticle/3602573 übersetzt und adaptiert.

13.000 Krebserkrankungen in Deutschland durch Alkohol?

In einer aktuellen Pressemitteilung nimmt auch die Deutsche Krebsgesellschaft zu der Diskussion um Krebs und Alkohol Stellung. Sie verweist auf eine in „Cancer Causes and Control“ erschienene Publikation, nach der etwa 3% aller Krebsfälle in Deutschland auf den Konsum von Alkohol zurückzuführen sind. Dies entsprach im Jahr 2010 etwa 13.000 Krebserkrankungen. Der engste Zusammenhang bestehe mit dem Ösophaguskarzinom.

Auch die Deutsche Krebsgesellschaft weist darauf hin, dass schon moderate Mengen Alkohol ausreichen, um das Krebsrisiko zu erhöhen – und dass eine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung besteht.

Ethanol selbst sei vermutlich nicht krebserregend, heißt es in der Mitteilung. Doch werde der Alkohol im Körper zu Azetaldehyd oxidiert, das wiederum wahrscheinlich krebsauslösend wirke. Auch werde angenommen, dass Alkohol die Kanzerogenität anderer Substanzen fördern könne – für Lokalisationen der Mundhöhle, des Rachens und der Speiseröhre seien solche ko-kanzerogenen Effekte von Alkohol nachgewiesen.

REFERENZEN:

  1. Connor J: Addiction (online) 21. Juli 2016

Der gesunde Lebensstil mit Reduktion/Meiden von Alkohol und Nikotin, ausgewogener gesunder Ernährung und ausreichender Bewegung kann das Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Krebserkrankungen senken.
Magenspiegelung (Gastroskopie) und besonders die Darmspiegelung (Koloskopie) können gutartige Polypen und Frühformen von Krebserkrankungen (Ösophaguskarzinom, Magenkrebs und Darmkrebs) entdecken und damit heilbar machen.
In unserer Ordination bieten wir die sanfte Gastroskopie und sanfte Koloskopie mit Sedierung (Dämmerschlaf) an; der Patient ´verschläft´ dabei seine Untersuchung
Dr. Martin Scharf.

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glutenfreier Ernährung Beratung Wien

Deutliche Zunahme von glutenfreier Ernährung: Modeerscheinung oder tatsächlich oft gesünder?

(Medscape. 02. Jun 2016)

Die Frage, ob eine glutenfreie Ernährung sinnvoll ist, ist besonders angesichts ihrer beeindruckenden Zunahme an Popularität in den letzten 10 Jahren aktuell. In der Tat ist die Vermeidung von Gluten zum beliebtesten Ernährungstrend in den Vereinigten Staaten geworden – etwa 100 Millionen US-Amerikaner verzehrten im vergangenen Jahr glutenfreie Produkte (William F. Balistreri, MD).

Derzeit gibt es mindestens 3 klinische Syndrome, die mit dem Verzehr von Gluten zusammenhängen: Zöliakie, eine Autoimmunerkrankung; Weizenallergie, eine durch Immunglobulin E (IgE) ausgelöste Erscheinung; und Glutenunverträglichkeit, bei der Zöliakie und Weizenallergie bereits ausgeschlossen worden sind.

Die Entscheidung, glutenfrei zu leben, ist entweder obligatorisch oder freiwillig. Eine glutenfreie Ernährung ist bei zuverlässig diagnostizierter Zöliakie obligatorisch – und möglicherweise auch bei einer Weizenallergie. Viele Menschen entscheiden sich jedoch für eine glutenfreie Ernährung, da sie eine Empfindlichkeit bei sich selbst vermuten. Während vermutlich 1% der Bevölkerung tatsächlich mit einer Zöliakie lebt, glauben schätzungsweise mehr als 60% der US-Amerikaner, dass eine glutenfreie Ernährung ihre körperliche und/oder psychische Gesundheit verbessere. Es ist ihre Wahl, eine glutenfreie Ernährung in der Hoffnung zu sich zu nehmen, die Verdauung zu verbessern und ihr Immunsystem zu stärken, sowie ihre Leistung zu verbessern und an Gewicht zu verlieren.

Dieser Glaube wurde durch die Aussagen von Prominenten und Leistungssportlern gefördert, die ihren Erfolg und ihr Wohlbefinden ihrer glutenfreien Ernährung zuschreiben. Eine Umfrage von Lis und Kollegen unter 910 Weltklasse-Athleten und Olympia-Medaillengewinnern hat ergeben, dass 41% einer glutenfreien Ernährung folgten – die Mehrheit aufgrund einer Selbstdiagnose von „Empfindlichkeit gegenüber Gluten“ und wahrgenommenem leistungssteigernden oder gesundheitlichen Nutzen.
Die Attraktivität einer glutenfreien Ernährung ist sehr lukrativ geworden, was zu einer erhöhten Verfügbarkeit glutenfreier Produkte und einer größeren Vielfalt von Ernährungsoptionen führt. Der Markt für glutenfreie Lebensmittel ist weiterhin auf Expansionskurs und wird auf 4 Milliarden US-Dollar Einzelhandelsumsätze im vergangenen Jahr geschätzt. Allerdings gibt es Hindernisse für ein glutenfreies Leben, einschließlich der Kosten und langfristigen Sicherheit glutenfreier Lebensmittel und eventueller Kreuzkontamination durch Gluten in Produkten. Darüber hinaus könnte eine glutenfreie Ernährung mit sozialen Einschränkungen verbunden sein, die möglicherweise die Einhaltung erschweren.

Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS)

Non-celiac gluten sensitivity (Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität) ist der frisch gebackene Begriff, der eine klinische Erkrankung beschreibt, die mit der Zunahme von Gluten oder glutenhaltigem Getreide verbunden ist; eine genauere Bezeichnung für diesen Zustand sei einfach „Menschen, die Gluten meiden“.
Klinisches Spektrum
NCGS wird weitgehend durch eine Reihe selbst berichteter gastrointestinaler Symptome gekennzeichnet: zum Beispiel Bauchschmerzen, gastroösophagealen Reflux, Gasentwicklungen/Blähungen, Übelkeit, Durchfall und/oder Verstopfung. Allerdings wird auch eine Vielzahl nicht gastrointestinaler Symptome berichtet wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, „benebelter Geist“, Angstzustände, Depressionen, Muskelschmerzen und Hautausschläge. Ein ähnliches Spektrum von Symptomen wurde bei Kindern beobachtet.
NCGS: ein klinisches Bild, das durch die Aufnahme von Gluten hervorgerufen wird und zu intestinalen und/oder extraintestinalen Symptomen führt, die verschwinden, sobald Gluten gemieden wird. Diese Definition erfordert, dass Zöliakie und Weizenallergie ausgeschlossen wurden.
Häufigkeit
Aziz und Kollegen führten eine Umfrage durch, um die Prävalenz selbst diagnostizierter NCGS in der allgemeinen Bevölkerung und die Verbreitung einer glutenfreien Diät außerhalb der Zöliakie abzuschätzen. Sie stellten fest, dass 13% der Bevölkerung (79% Frauen, Durchschnittsalter 39,5 Jahre) selbst von Glutenunverträglichkeit berichteten, von denen nur 0,8% eine gültige Diagnose einer Zöliakie hatten.
Biesiekierski und Kollegen untersuchten auch eine Reihe Erwachsener, die glaubten, an NCGS zu leiden. Sie erfuhren, dass unter den Befragten die glutenfreie Ernährung am häufigsten selbst initiiert war (44%) und weniger häufig von alternativen Heilpraktikern (21%), Ernährungsberatern (19%) oder Allgemeinmedizinern (16%) verschrieben wurde. Der Beginn der glutenfreien Diät fand häufig ohne ausreichenden Ausschluss von Zöliakie statt; bei 15% der Befragten wurden keine Untersuchungen durchgeführt, um Zöliakie auszuschließen. Bei 25% sind die Symptome schlecht kontrolliert

Beziehung zum Reizdarmsyndrom
Personen mit Glutenunverträglichkeit unterliegen einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, die Rom-III-Kriterien für RDS zu erfüllen. Es ist nicht ungewöhnlich für RDS-Patienten über eine Verbesserung der klinischen Symptome zu berichten, wenn die Glutenaufnahme begrenzt wird.
Eine Reihe von Studien hat die Immunantwort auf Gluten bei Patienten mit RDS untersucht, für die Zöliakie ausgeschlossen wurde. Wahnschaffe und Kollegen haben eine Verbesserung der von Patienten berichteten Ergebnisse in Folge einer glutenfreien Diät festgestellt, wie eine Abnahme der Stuhlgangshäufigkeit bei RDS-Patienten mit Durchfall, bei denen Zöliakie ausgeschlossen worden war.

Gluten: Schuldig im Sinne der Anklage?
Während diese Studien die Rolle des Glutens bei der Entstehung einer Vielzahl von Beschwerden überzeugend zu untermauern scheinen, haben neuere Studien nahegelegt, dass die Geschichte vielschichtiger ist, und melden Zweifel an, ob NCGS eine abgegrenzte klinische Einheit ist.
Mehrere Autoren haben nahegelegt, dass die Verbesserungen in der Symptomatik auf einen Placebo-Effekt zurückzuführen seien oder auf die Tatsache, dass andere Komponenten des Weizens als Gluten – wie Ballaststoffe und der Weizen selbst – aus der Ernährung bei Einhaltung einer glutenfreien Diät entfallen.

FODMAPs
Mehrere Forscher machten unter anderem schlecht resorbierbare Kohlenhydraten für die Entstehung der klinischen Symptome verantwortlich. Die Aufnahme fermentierbarer Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide, und Polyole (FODMAPs) können gastrointestinale Beschwerden auslösen. Diese Kohlenhydrate werden schlecht im Dünndarm resorbiert und gehen somit ins Kolon über, wo sie osmotisch das Wasser innerhalb des Lumens erhöhen, kurzkettige Fettsäuren produzieren und die Gasproduktion anregen, die bei der Fermentation durch die Dickdarmbakterien entsteht. Dies führt zu luminaler Distension, Gasentwicklung und Blähungen. FODMAPs können auch die Mikroflora, die Immunfunktion und die Schutzbarriere des Darms beeinflussen, was auch gastrointestinale Symptome erzeugen könnte. Eine Reduktion der FODMAPs in der Ernährung ist bei der Behandlung von Patienten mit RDS als wirksam berichtet worden.

Biesiekierski und Kollegen berichteten Ergebnisse aus einer doppelblinden Crossover-Studie bei Patienten mit selbst diagnostizierter NCGS: Hierbei kam es bei denjenigen, die sich mit einer glutenfreien Ernährung gut fühlten, zu einer Verbesserung des Zustandes unter einer FODMAPs-Eliminations-Diät. Bei allen Teilnehmern verbesserten sich die gastrointestinalen Symptome konsistent und signifikant während der Phase der reduzierten Aufnahme von FODMAPs. Die Wiedereinführung von Gluten in der sonst wenig FODMAPs enthaltenden Ernährung führte nicht zu einem spezifischen oder dosisabhängigen Rückfall. Glutenspezifische Wirkungen wurden bei nur 8% der Teilnehmer beobachtet.

Weizenunverträglichkeit außerhalb der Zöliakie
Bis heute ist nicht bekannt, welche Komponente des Weizens die Symptome tatsächlich verursacht. Studien haben spezifisch Weizenunverträglichkeit (Weizenallergie, nicht IgE-vermittelt) als Ursache der Symptome bei Patienten mit selbst berichteter Glutenunverträglichkeit herausgearbeitet.
Non-celiac wheat sensitivity (NCWS, Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität) wird als Bezeichnung für eine klinische Einheit verwendet, die viele Ähnlichkeiten mit Zöliakie und NCGS besitzt, und deren klinische Symptome den Gastrointestinaltrakt, das Nervensystem, die Haut und andere Organe betreffen können. Ein anderes gemeinsames Merkmal ist die Beobachtung, dass die Symptome der NCWS nach Ausschluss von Weizen aus der Ernährung verschwinden und nach Weizenaufnahme hin wieder erscheinen. Weizen enthält sowohl Gluten als auch schlecht resorbierbare Kohlenhydrate, die fermentieren (ebenso wie andere FODMAP-Komponenten) und das Mikrobiom verändern können, was eine immunologische Beteiligung an NCWS ausschließt.

Ein neuer Ansatz
Zwischen Zöliakie, NCGS und anderen durch Weizen bedingten Erkrankungen zu unterscheiden kann eine Herausforderung darstellen, aber es ist wichtig für die entsprechende Behandlung. Es ist kontraproduktiv zu diskutieren, ob NCGS „real“ ist; die Patienten sind real und suchen ärztliche Hilfe.
Der aktuelle klinische Ansatz setzt sich daraus zusammen, Zöliakie und Weizenallergie auszuschließen, auf weitere Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder gastrointestinale Erkrankungen zu testen und über den Nutzen/die unbeabsichtigten Folgen der Glutenvermeidung und diese sich entwickelnden Krankheitsbilder die neuesten Daten zu vermitteln. Es ist auch wichtig, Patienten und ihre Familien darüber zu informieren, was nicht bekannt ist. Es kann auch wirksam sein, die empfohlene diätetische Strategie zu personalisieren, indem bestimmte Komponenten der Klasse FODMAP, Weizenprodukte und/oder Gluten sequentiell gemieden werden.

Bei allen Beschwerden, die ursächlich mit dem Magen-Darmbereich in Zusammenhang gebracht werden, sollte zum Ausschluss einer Grunderkrankung eine individuell angepasste gastroenterologische Durchuntersuchung erfolgen: komplette Blut -und Stuhluntersuchungen, Atemteste und Lebensmittelallergieaustestung, Bildgebung sowie Endoskopie (Gastroskopie und Koloskopie). Die individuelle Diagnostik und Therapie erfolgt nach Patientenwunsch und medizinischer Notwendigkeit
Dr. Martin Scharf

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Helicobacter Pylori

Helicobacter pylori, wer soll getestet werden ? Wer soll behandelt werden ?

Die neue Leitlinie 2016 zu Helicobacter pylori: Aktualisierte Antworten, wer getestet und bei wem eradiziert werden sollte (Sonja Böhm, Medscape, Deutsche Gesellschaft für Inerere Medizin 2016)

Mannheim – Auch wenn die Infektionsraten in den letzten Jahren gefallen sind, kann davon ausgegangen werden, dass in Deutschland nahezu jeder 2. Erwachsene mit Helicobacter pylori infiziert ist. Bei Immigranten kann die Prävalenz sogar bis zu 86% betragen. Aber bei welchen Patienten lohnt es, nach dem Magenkeim zu suchen – und in welchen Fällen ist dann eine Eradikationstherapie indiziert?

Unter anderem diese Fragen beantwortet die neue S2k-Leitlinie, die die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Fachgesellschaften Anfang 2016 aktualisiert hat. Erstautor Prof. Dr. Wolfgang Fischbach, Medizinische Klinik II, Klinikum Aschaffenburg, stellte die wichtigsten Aspekte und Neuerungen beim Internistenkongress in Mannheim vor [1].

Testung auf den Magenkeim nur, wenn bei positivem Befund auch eradiziert wird!

Eine Kernaussage: Bevor auf den Magenkeim getestet wird, muss klar sein, dass ein positiver Befund auch Konsequenzen zeitigt. Der Gastroenterologe betonte: „An erster Stelle steht die individuelle Entscheidung zur H. pylori-Eradikation (antibiotischen Behandlung) im Falle eines positiven Keimnachweises. Erst danach folgt der Test auf H. pylori!“ Und: „Eine Eradikation setzt eine Indikation voraus!“

Aber was sind die aktuellen, durch Evidenz gedeckten Indikationen? Die Leitlinie unterteilt die Empfehlungen in 3 Kategorien: „kann“ (Empfehlung offen), „sollte“ (Empfehlung) und „soll“ (starke Empfehlung).

Indikationen zur H. pylori-Eradikation

SOLL
Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni, MALT Lymphom, vor ASS/NSAR-Thrapie bei Ulcus-Anamnese,
Obere GI-Blutung unter ASS/NSAR, Immunthrombozytopenie

SOLLTE
Magenkarzinom-Prophylaxe, Menetrier-Syndrom, lymphozytäre Gastritis

KANN
Dyspepsie, ungeklärte Eisenmangelanämie, diffus großzelliges B-Zell-Lymphom

Dyspepsie – was bringt die Eradikation?

Die wohl größte Patientengruppe, bei der sich die Frage zur Indikation stellt (und schwierig zu beantworten ist), sind Patienten mit funktioneller Dyspepsie und H. pylori-Infektion. Für diese Gruppe gibt es in der Leitlinie eine „Kann“-Empfehlung. Das heißt, die Entscheidung sollte individuell gemeinsam mit dem Patienten gefällt werden. Darüber herrschte unter den Leitlinien-Autoren ein „starker Konsens“, wie Fischbach berichtete. Und was bringt die Eradikation in diesen Fällen? „Mit einer anhaltenden Symptombesserung ist in bis zu 10 Prozent zu rechnen, die NNT (number needed to treat) beträgt eins zu zwölf“, informierte der Gastroenterologe.

Magenkarzinom-Prophylaxe ist nun explizit empfohlen

Eine weitere Indikation: die Magenkarzinom-Prophylaxe bei Risikopersonen. Sie ist in der neuen Leitlinie von einer „Kann“- zur „Sollte“-Indikation hochgestuft worden, da H. pylori einen wesentlichen Risikofaktor für das Magenkarzinom darstellt, wie die neue Leitlinie konstatiert. Und die Eradikation von H. pylori hat grundsätzlich das Potenzial, die Entstehung eines Magenkarzinoms zu verhindern. Zu den Risikopersonen zählen z.B. Verwandte 1. Grades von Magenkrebs-Patienten, solche mit Risikogastritis oder früheren Magenneoplasien oder Menschen unter Dauertherapie mit einem Protonen-Pumpen-Inhibitor (PPI).

Ebenfalls hochgestuft – von „Kann“ zu „Soll“ – wurden in der neuen Leitlinie die Indikationen vor einer geplanten Dauertherapie mit NSAR oder ASS (bei Ulkusanamnese). Diese Patienten sollten vor der Langzeittherapie auf H. pylori getestet werden, um bei Keimnachweis eine Eradikation vorzunehmen.

Der Therapieerfolg sollte überprüft werden – und zwar frühestens 4 Wochen nach Ende der Antibiotika-Gabe und 2 Wochen nach Absetzen einer PPI-Therapie. War die Eradikation erfolgreich, wird die routinemäßige Suche nach einer Re-Infektion nicht empfohlen, so Fischbach.

Nicht jeder mit Helicobacter pylori infizierte Mensch muss behandelt werden. Die Entscheidung ob getestet bzw. behandelt wird, sollte mit Ihrem Gastroenterologen diskutiert werden.
Die Testung sollte im Rahmen einer Magenspiegelung (Gastroskopie) mittels Gewebeproben durchgeführt werden, da nur im Rahmen der Gastroskopie zusätzliche Informationen zur Behandlungsindikation zugänglich sind.

In unserer Ordination wird die Gastroskopie (Magenspiegelung) als sanfte Gastroskopie durchgeführt, die meisten Patienten „verschlafen“ ihre Untersuchung
Dr. Martin Scharf

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Helicobacter Pylori

Dr. Jekyll und Mr. Hyde im Magen

Dr. Jekyll und Mr. Hyde im Magen: Ist Helicobacter pylori auch ein gutes Bakterium?

So referierte Prof. Dr. Siegfried Wagner, Chefarzt der Medizinischen Klinik II, DONAUISAR Klinikum, Düsseldorf, über inverse Assoziationen zwischen einer Helicobacter-pylori-Infektion und Krankheiten wie Asthma, gastroösophagealer Refluxerkrankung (GERD) oder auch Atopien.

„Seit 100.000 Jahren wird das Bakterium im Menschen gefunden“, nannte Wagner die Gründe, warum einige renommierte Wissenschaftler davon ausgehen, dass Helicobacter pyloriauch Vorteile haben muss. „Interessant ist nämlich, dass das Bakterium genetisch eine sehr große Diversität hat, aber innerhalb bestimmter Bevölkerungsgruppen einige Abschnitte so stark konserviert sind, dass man daran sogar die Völkerwanderungen nachvollziehen kann.“

Vier Fünftel der Infizierten bleiben ein Leben lang ohne Symptome

Dass es sich nicht immer um ein gefährliches Bakterium handelt, erkenne man auch an der Tatsache, dass von allen infizierten Menschen 80% ihr Leben lang beschwerdefrei bleiben – im Gegenteil, eine Infektion scheint sogar Vorteile mit sich zu bringen.

In Bezug auf die Refluxerkrankungen zum Beispiel ist eine klar negative Assoziation zwischen H. pylori und dem Barrett-Ösophagus, einer Komplikation der Refluxerkrankung, sowie dem Barrett-Karzinom gezeigt worden. Aus einer Metaanalyse aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass H. pylorimit einer 54-prozentigen Reduktion des Barrett-Ösophagus assoziiert ist.

„Zu einem Zusammenhang mit dem Barrett-Karzinom gibt es sogar noch viel mehr Daten“, berichtete Wagner, „Hierzu gab es zwei Metaanalysen aus dem vorvergangenen und dem vergangenen Jahr, die beide zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommen, nämlich dass H. pylori zu einer 43- beziehungsweise 44-prozentigen Reduktion von Adenokarzinomen des Ösophagus führt.“

Trotz dieser Assoziationsstudien bleiben Fragen. „Was passiert zum Beispiel, wenn man H. pylori eradiziert?“, fragte Wagner. „Kommt es dann zum Auftreten von Refluxösophagitis oder Refluxsymptomen? Und gibt es Unterschiede bei Patienten mit GERD, Dyspepsie oder auch einem Ulkus?“ Eine in diesem Jahr erschienene Metaanalyse untersuchte Studien, die sich mit genau diesen Fragen beschäftigten, konnte allerdings keine signifikanten Unterschiede im Auftreten der Refluxsymptome oder einer Refluxösophagitis nach Eradikation nachweisen. Es zeigte sich auch kein vermehrtes Auftreten der Grunderkrankungen Ulkus, GERD oder Dyspepsie.

„Die Quintessenz aus diesen Studien ist, dass H. pylori zwar ganz klar assoziiert ist mit vermindertem Auftreten von Barrett-Ösophagus und Adenokarzinom“, resümierte Wagner. Allerdings verursache eine Eradikation auch keine Refluxsymptome und induziere auch nicht direkt eine Refluxerkrankung.

H. pylori hat darüber hinaus keinen Einfluss auf die Motilität, den unteren Ösophagus-Sphinkter und den pH-Wert im Ösophagus. Sein Einfluss in der Pathophysiologie, in die der Säuregehalt des Magens genauso hineinspielt wie Magenhormone und Immunantworten, scheint vielmehr indirekter Art zu sein.

Einerseits kann bei komplizierten Refluxerkrankungen, insbesondere dem Barrett-Ösophagus, die Magensäuresekretion und damit die gastrale Azidität erhöht sein. Andererseits ist aber der negative Zusammenhang zwischen Helicobacter und Barrett-Ösophagus besonders ausgeprägt bei Patienten, bei denen die Azidität des Magens niedriger ist. Daher könnte „das Bakterium bei reduzierter Azidität sozusagen als Säureblocker wirken und auf diese Weise die Refluxerkrankungen verhindern“, stellte Wagner fest.

Widersprüchliche Erkenntnisse bezüglich Asthma

Dass Menschen mit H. pylori seltener unter Asthma leiden, wurde im Laufe der Jahre in mehreren Studien nachgewiesen. „Sie sind zusammengefasst worden in zwei Metaanalysen aus dem Jahr 2013, die ebenfalls beide zu ähnlichen Ergebnissen kamen“, berichtete Wagner. „Demnach existiert ein schwacher, aber signifikant protektiver Effekt, der bei Kindern stärker ist als bei Erwachsenen.“ Bei Kindern reduziert sich das Risiko um 19%, bei Erwachsenen um 11%.

„Es besteht damit eine signifikante, wenn auch eher eine schwache inverse Verbindung“, so Wagner. Hierzu gibt es auch pathophysiologische Modelle. „Das Postulat ist, dass H. pylori in der Kindheit vor einer gesteigerten Th2-Antwort, die als Auslöser von Asthma gesehen wird, schützen kann.“

Gegen die Theorie, dass H. pylori Asthma entgegenwirken könnte, sprechen allerdings epidemiologische Beobachtungen. So tritt Asthma in Gegenden, in denen das Bakterium seltener auftritt, wie zum Beispiel in Malaysia, deswegen nicht häufiger auf. Zudem wurde in England im vergangenen Jahrzehnt ein Rückgang von Asthma bei Kindern beobachtet – und zwar in allen sozioökonomischen Schichten. Da H. pylori jedoch in den oberen Schichten seltener auftritt, müsste, falls das Bakterium vor Asthma schützt, die Erkrankung vor allem in den unteren Schichten abnehmen. „Hier spricht die Epidemiologie gegen das Modell.“

Gesichert bleibt also vor allem die klar inverse Assoziation von Helicobacter pylori mit bestimmten Erkrankungen. Und dass noch viel Forschungsarbeit vonnöten ist, um die Hypothese vom guten Bakterium zu belegen (Medscape, 11/2015).

Helicobacter pylori begleitet den Menschen seit 100 000 Jahren durch die Evolution. Es gibt gesicherte Indikationen, wann Helicobacter pylori eradiziert werden sollte; in allen nicht gesicherten Indikationen, sollten Arzt und Patient vor einer Behandlung über mögliche Vorteile und Nachteile der antibiotischen Behandlung diskutieren.

Die Gastroskopie (Magenspieglung) ist jedenfalls die Standardmethode zur Abklärung unklarer Beschwerden im Oberbauch, von Refluxbeschwerden und Eisenmangel/Blutarmut

(Dr. Martin Scharf).

Diabetes Zuckersteuer

Großbritannien beschließt Zuckersteuer für Softdrinks

Großbritannien beschließt Zuckersteuer für Softdrinks – aber auch Fruchtsaft enthält zu viel Zucker, mahnen Forscher (Quelle: Medscape Deutschland)

2018 soll es so weit sein: Großbritannien hat beschlossen, eine Zuckersteuer auf Softdrinks einzuführen. Reine Fruchtsäfte sind nach den Regierungsplänen von der Steuer ausgeschlossen. Eine neue Studie, die nun im British Medical Journal veröffentlicht wurde, stellt diese Einschränkung allerdings infrage: „Der Zuckergehalt in vielen Fruchtsäften, Fruchtsaft-Getränken und Smoothies für Kinder ist inakzeptabel hoch“, kritisieren die Autoren von der School of Dentistry der University of Liverpool [1].

Der Zuckergehalt in vielen Fruchtsäften, Fruchtsaft-Getränken und Smoothies für Kinder ist inakzeptabel hoch.

Erstautorin Jane Boulton und ihre Kollegen nahmen mehr als 200 speziell für Kinder vermarktete und in Supermärkten verkaufte Säfte und kohlensäurefreie Getränke unter die Lupe. Im Mittel enthielten die untersuchten Produkte 7,0 g/100 ml an freien Zuckern. Deutlich höher war die durchschnittliche Zuckerkonzentration mit 10,7 g/100 ml in reinen Fruchtsäften (mit 100% Fruchtgehalt). Am allerhöchsten war sie mit 13,0 g/100 ml in Smoothies, am niedrigsten mit 5,6 g/100 ml in Fruchtsaftgetränken. Ein weiteres Ergebnis: In mehr als 40% der untersuchten Getränke waren pro Standard-Portionsgröße (200 ml) mindestens 19 Gramm Zucker versteckt, was den Autoren zufolge der für Kinder empfohlenen maximalen Tagesdosis an freien Zuckern entspricht.

Alle untersuchten Getränke würden somit – wären sie Softdrinks – unter die geplante Zuckersteuer fallen. Diese soll 2 Stufen haben: eine für Getränke ab 5 g Zucker pro 100 ml und eine für Getränke mit mehr als 8 g. Aktuell sind für die beiden Steuerstufen Aufschläge von ca. 22 bzw. 30 Cent pro Liter angedacht.

Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßte bereits die Ankündigung der britischen Regierung, eine Zuckersteuer für Hersteller von Softdrinks einzuführen: „Der Beschluss sollte auch für Deutschland ein Vorbild sein, weil eine solche Steuer hilft, Übergewicht und Diabetes zu verhindern“, betont DDG-Vizepräsident Prof. Dr. Dirk Müller-Wieland. Angesichts der neuen Studienergebnisse könne man durchaus daran denken, eine solche Steuer nicht nur für Softdrinks, sondern auch für andere Getränke und Lebensmittel mit hoher Energiedichte zu erheben, sagt er zu Medscape Deutschland.

Dass in Fruchtsäften und anderen für Kinder vermarkteten fruchthaltigen Getränken oft viel zu viel Zucker bzw. Kalorien versteckt sind, bestätigt der Berliner Pädiater PD Dr. Frank Jochum von der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) gegenüber Medscape Deutschland: „Hinsichtlich ihres Zuckergehalts sind Fruchtsäfte praktisch auf eine Stufe mit Softdrinks oder Limonaden zu stellen – zum Durstlöschen sind weder die einen noch die anderen geeignet.“ Kinder sollten demnach bereits von klein an daran gewöhnt werden, ihren Durst mit Wasser und ungesüßtem Tee zu stillen. Natürlich spreche nichts dagegen, gelegentlich zum Genuss auch mal einen Saft oder Softdrink zu konsumieren.

Irrglaube an den „gesunden Saft“

Doch: „In keinem Land der Welt wird so viel Saft getrunken wie in Deutschland und viele Eltern glauben, dass vor allem reine Fruchtsäfte besonders gesund und gut für ihre Kinder seien – im Hinblick auf die in ihnen enthaltenen Kalorien ist dies aber ein großer Irrtum“, gibt Jochum zu bedenken. Keine Lösung sei es, Zucker in Fruchtsaftgetränken oder Limonaden durch Zuckeraustauschstoffe zu ersetzen: „Denn auch diese Getränke schmecken sehr süß und verstärken damit das Verlangen nach anderen süßen Lebensmitteln, ohne dass sich ein Sättigungsgefühl einstellt.“

Die Autoren der britischen Studie empfehlen, Früchte idealerweise nicht als Saft, sondern als Ganzes zu konsumieren. Sie raten Eltern, Fruchtsaft zumindest mit Wasser zu verdünnen, ungezuckerte Säfte zu bevorzugen und auch diese ihren Kindern nur zu den Mahlzeiten und nicht mehr als 150 ml pro Tag davon anzubieten. Weiterhin fordern sie Getränkehersteller dazu auf, auf unnötige Zucker- und Kalorienzusätze in Säften und anderen Fruchtsaftgetränken zu verzichten. Dies sei notfalls durch gesetzliche Regelungen zu gewährleisten.

Hinsichtlich ihres Zuckergehalts sind Fruchtsäfte praktisch auf eine Stufe mit Softdrinks oder Limonaden zu stellen – zum Durstlöschen sind weder die einen noch die anderen geeignet.

PD Dr. Frank Jochum

 

Nicht nur Übergewicht und Diabetes mellitus sind Folge des Zuckerkonsums, auch Refluxerkrankungen (Refluxösophagitis) und Fettlebererkrankungen (nicht alkoholische Fettleber, NAFLD) bis zur Leberzirrhose sind  Konsequenzen dieser Lebensstilproblematik (Dr. Martin Scharf).

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